UNDATED

PAGES

RECORDS OF INTERNAL PROCESSES

Die Vorstellung über die Außenwelt findet im Inneren statt,

der Psyche – dem rätselhaften Ort menschlichen Fühlens und Denkens. Doch was passiert wenn die Psyche tiefe Veränderungen durchlebt?

RAUM ALS SEELISCHE LANDSCHAFT,

DIE DAS ERLEBEN STRUKTURIERT

Im Bild der Depressionslandschaft zeigt sich, wie stark diese Wechselwirkung sein kann: Eine Umgebung verliert ihre Farbigkeit, wirkt leer oder bedrückend, weil die innere Befindlichkeit das Erleben dominiert. Eine stille Topografie der Leere: Wege führen ins Nichts, Horizonte schließen sich, Farben sinken in ein Grau.

METHAPHERN

Betroffene beschreiben ihr Leiden häufig mit Bildern: Winston Churchills „schwarzer Hund“, C. G. Jungs „Dame in Schwarz“, Monster- oder Krakenfiguren. Solche Metaphern schaffen Brücken nach außen, erwecken den Eindruck einer möglichen Interaktion. In der Realität einer Depression ist der Handlungsspielraum jedoch radikal eingeschränkt; eher dominiert das Erleben eines Eingeschlossenseins.

Ausgehend von der Frage, ob sich die Innenwelt des Depressiven in eine sichtbare Außenwelt übersetzen lässt, entsteht die Simulation einer Wirklichkeit, die charakteristische Symptome – wie Kreisdenken und ein verändertes Zeit- und Raumerleben – emotional nachvollziehbar macht. Mit Hilfe des Begriffs „Depressionslandschaft" wird versucht das körperliche, seelische und soziale Geschehen bei depressiven Menschen in einer Gesamtschau zu erfassen.

GEDANKENEXPERIMENT

Man kann sich einen depressiv erkrankten Menschen als Reisenden vorstellen, der infolge eines Schicksalsschlags oder großer Überforderung seine Orientierung verliert und sich plötzlich mitten in einer fremden Umgebung wiederfindet. Eine Landschaft, geprägt von steilen, unüberwindbaren Bergen, fahler, nebelverhangener, deprimierender Einöde mit bedrohlichen Randgebieten und tiefen Abgründen.

EXPERIMENTALFILM

Der Experimentalfilm wird zum Medium, um dieses innere Erleben nach außen zu übertragen. Er schafft einen Raum, in dem Bild und Sprache ineinander greifen – Logbucheinträge, literarische Fragmente, aufgerissene Sätze als Resonanzboden der Bilder. So entsteht ein Raum der Abwesenheit, durchdrungen von Stillstand und Entzug. Formen verlieren ihre Tiefe, Geräusche hallen stumpf, Zeit zerstreut sich in endlose Fläche. Der Protagonist bleibt unsichtbar: nur als Stimme aus dem Off und durch subjektive Kameraeinstellungen erfahrbar. Die Kamera nimmt seinen Blick ein, tastet sich durch das Terrain. Seismografische Linien auf verrußtem Papier zeichnen kleinste Erschütterungen auf – unscheinbare, doch unübersehbare Spuren innerer Prozesse.

Die „Depressionslandschaft“ ist weniger reale Umgebung als phänomenologischer Raum, in dem sich äußere Eindrücke und innere Zustände überlagern.

Der Film versteht sich als Anstoß, die Sinnhaftigkeit der Depression zu hinterfragen. Er knüpft an Daniel Hells* Appell an, den Schutz- und Signalcharakter depressiver Symptome anzuerkennen und stellt dem rein objektivierenden Blick einen Raum für gefühlsbezogene Erkenntnis zur Seite.

* HELL, DANIEL (AUTOR, PROF. EM. FÜR KLINISCHE PSYCHIATRIE )

ongoing project

Das Projekt umfasst den Experimentalfilm Undated Pages (Abschlussfilm MA Film, HfbK Hamburg) sowie eine neue, erweiterte Fassung, eine Sammlung filmischer Studien, Zeichnungen, Druckgrafiken (vor allem Ätzradierungen), Miniaturlandschaften, Objekte und Bild-Text-Collagen, Grafiken und Texte.

NEUROPSYCHOLOGISCHER HINTERGRUND

Im gesunden Zustand registriert das Gehirn permanent subtile Unterschiede im Körperzustand (Herz, Atmung, Muskeltonus). Diese Mikro-Schwankungen erzeugen eine „emotionale Topografie“ → lebendiges Hintergrundrauschen.

Neue oder verstärkte Reize heben sich als Reaktion wellenartig vom gewohnten Hintergrund ab. Als wahrgenommene Empfindungen schaffen sie das Bild einer Körperlandschaft (nach Damásio*). Regelmäßiges Auftreten von empfundener Körperlandschaft und gedankliche Vorstellung koppeln sich zu einem einheitlichen Empfindungs-Vorstellungsmuster und entsprechen damit einem Gefühl.

VON DER KÖRPER- ZUR DEPRESSIONSLANDSCHAFT

Hell* adaptiert Damasios Embodiment-Idee und überträgt sie auf ein makroskopisches, lebensweltlich erfahrbares Terrain, vom reinen Körperinnenraum in die Gesamt-Lebenswelt (Körper + Gefühle + Beziehungen). In der Krankheit wird dieses Hintergrund-Relief umgeformt. Die Landschaft verliert Plastizität, Betroffene spüren weder Höhepunkte noch Tiefen klar. Die Karte erstarrt.

Folge: Alles wird gleich-grau (= Verlust der Plastizität). Gleichzeitig entsteht eine Wahrnehmungskatastrophe: Einzelne Reize (Pflicht, Schuld, Zukunft) ragen nun isoliert hervor und wirken absolut riesig. Pointiert gesagt: Die Mikroreliefs werden eingeebnet, dadurch wirken die verbliebenen Makroreliefs wie monströse Betonklötze. Bei Depressionen verschwinden die Feinschattierungen der Gefühle. Bis auf das Grundrauschen erscheint die Landschaft niedergedrückt.

(lateinisch depressio, deprimere = niederdrücken)

*ANTÓNIO ROSA DAMÁSIO / NEUROLOGE, NEUROWISSENSCHAFTLER, PHILOSOPH *geb. 1944

*DANIEL HELL / PSYCHATER, PSYCHOTHERAPEUT, PROF. EM. FÜR KLINISCHE PSYCHIATRIE *geb. 1944

NACH DANIEL HELL / PSYCHATER, PSYCHOTHERAPEUT, PROF. EM. FÜR KLINISCHE PSYCHIATRIE *geb. 1944

KARDINALSYMPTOM

GEFÜHL DER GEFÜHLSLOGIGKEIT

Depression wird als „Krankheit der -losigkeiten“ (Hans Lenz) beschrieben: gefühllos, interesselos, kraftlos, antriebslos. Gefühle fehlen, als innere Haltepunkte – alles erscheint „grau in grau“. Traurigkeit, Angst oder Wut verlieren Kontur. Dennoch sind selbst belastende Gefühle wie Schuld oder Scham Hinweise auf verbliebene Lebendigkeit. Therapeutisch kann es helfen, diese „Gefühlsinseln“ im emotionalen Vakuum zu aktivieren.

INNERE KRISENGEBIETE

Depressive spüren oft einen Willen zur Aktivität – aber keinen Zugang zur Energie. Eine „unsichtbare Macht“ scheint sie zu hemmen. Gleichzeitig tritt innere Unruhe auf, ein rastloses Getriebensein. Um dem zu entkommen, stürzen sich manche in hektische Aktivität – doch ohne nachhaltigen Effekt.

DENKHEMMUNG & GRÜBELZWANG

Typisch ist der Zwang zum Denken – ohne denken zu können. Betroffene erleben Grübelzwang bei gleichzeitiger Denkblockade: Gedanken kreisen endlos, ohne zu Lösungen zu führen. Dieses Erleben wird als „rasende Blockiertheit“ beschrieben und führt zu innerer Anspannung. Die Menschen registrieren ihre Einbußen klar, was die Situation besonders belastend macht: Sie fühlen sich handlungsunfähig und ihrer Zukunft beraubt.

Depression stört den inneren Takt des Lebens: Die natürliche Periodizität (z. B. von Hormonen) gerät aus dem Gleichgewicht. Das Stresshormon Cortisol ist häufig dauerhaft erhöht – das limbische System bleibt im Alarmzustand, was Angst und Unruhe verstärken kann. Der Körper reagiert mit Hemmung, die Psyche mit Grübeln – ein Teufelskreis.

MITMENSCHLICHKEIT

Mit zunehmender Depression verlieren Betroffene das Gefühl der Verbundenheit. Andere Menschen werden als fremd, bedrohlich oder gleichgültig erlebt. Selbstwertverlust und Abhängigkeit führen zur inneren Entfremdung – bis hin zur emotionalen Isolation. In schweren Fällen bleibt keine Empathie oder Lebendigkeit mehr übrig – nur Leere.

RAUMERLEBEN

Wenn ein Mensch depressiv wird, erlebt er seinen Lebensraum als zunehmend eingeengt. Das Haften an Dingen wird als Festgefahrensein oder räumliches Eingesperrtsein erlebt und entspricht dem Grundgefühl vieler Schwerdepressiver.

ZEITERLEBEN

Auch das Zeitempfinden ist verändert. Viele berichten, dass die Zeit kaum vergeht – manchmal scheint sie stehenzubleiben. Depressive fühlen sich „aus der Zeit gefallen“, abgeschnitten von Vergangenheit und Zukunft. Studien zeigen: Schwer Depressive unterschätzen die Zukunft und empfinden die Vergangenheit als übermächtig – sie fühlen sich aus dem Takt mit ihrer Umwelt.

KÖRPERERLEBEN

Der Körper wird als weniger beseelt, schwer und starr empfunden. Der Mensch fühlt sich zeitlich und räumlich in sich selbst eingeschlossen; er erlebt seine Entfaltung als gehemmt. Die Hemmung des Antriebs als Hauptmerkmal der Depression kann sich auch im äußeren Erscheinungsbild mit einer Verlangsamung der Reaktionen, Bewegungen und Sprache bemerkbar machen Im Extremfall können Betroffene nur unter großer Mühe sprechen oder sich bewegen.

UNDATED PAGES Teaser

SYNOPSIS

Risse und Spuren im Boden – ein Forscher in einer tristen, lebensfeindlichen Vulkanlandschaft. Seine Logbucheinträge geben Einblick in das sich stetig wiederholende Kreisen um ein nicht lösbares Problem. Das Forschen am Abgrund gestaltet sich als Sinnsuche. Der Krater – zugleich Forschungsgegenstand und symbolischer Abgrund – wird zu einem Sog, hypnotisierend und schwindelerregend. Bedrohlich wachsender schwarzer Raum erfüllt das Bild.

gefördert von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

VOICE OVER TEXT BASED ON
ROGER WILLEMSEN (DER KNACKS) , SIBYLLE BERG (ENDE GUT/ DER MANN SCHLÄFT), JEAN-PAUL SATRE (DER EKEL), ALBERT CAMUS (DER MYTHOS DES SISYPHOS) STANLEY WILLIAMS (SURVING GALERAS) CAROLINE MUHR (DEPRESSIONEN)
DOP / ANIMAION / EDITING
PAMELA ANNECKE
MUSIC / SOUND-DESIGN
STEFAN TROSCHKA

im Pingpong zwischen wissenschaftlicher Präzision und dem Chaos expressiver Subjektivität

UNDATED

PAGES

RECORDS OF INTERNAL PROCESSES

Die Vorstellung über die Außenwelt findet im Inneren statt,

der Psyche – dem rätselhaften Ort menschlichen Fühlens und Denkens. Doch was passiert wenn die Psyche tiefe Veränderungen durchlebt?

RAUM ALS SEELISCHE LANDSCHAFT, DIE DAS

ERLEBEN STRUKTURIERT

Raum ist niemals nur Außen. Er legt sich ins Innere, zeichnet Bilder, die unsere Welt formen, und trägt zugleich die Schwere oder Leichtigkeit der Gefühle.

Betroffene beschreiben ihr Leiden häufig mit Bildern: Winston Churchills „schwarzer Hund“, C. G. Jungs „Dame in Schwarz“, Monster- oder Krakenfiguren. Solche Metaphern schaffen Brücken nach außen, erwecken den Eindruck einer möglichen Interaktion. In der Realität einer Depression ist der Handlungsspielraum jedoch radikal eingeschränkt; eher dominiert das Erleben eines Eingeschlossenseins.

Ausgehend von der Frage, ob sich die Innenwelt des Depressiven in eine sichtbare Außenwelt übersetzen lässt, entsteht die Simulation einer Wirklichkeit, die charakteristische Symptome – wie Kreisdenken und ein verändertes Zeit- und Raumerleben – emotional nachvollziehbar macht. Mit Hilfe des Begriffs „Depressionslandschaft" wird versucht das körperliche, seelische und soziale Geschehen bei depressiven Menschen in einer Gesamtschau zu erfassen.

GEDANKENEXPERIMENT

Man kann sich einen depressiv erkrankten Menschen als Reisenden vorstellen, der infolge eines Schicksalsschlags oder großer Überforderung seine Orientierung verliert und sich plötzlich mitten in einer fremden Umgebung wiederfindet. Eine Landschaft, geprägt von steilen, unüberwindbaren Bergen, fahler, nebelverhangener, deprimierender Einöde mit bedrohlichen Randgebieten und tiefen Abgründen.

EXPERIMENTALFILM

Der Experimentalfilm schafft einen Raum, in dem Bild und Sprache ineinander greifen – Logbucheinträge, literarische Fragmente. Der Protagonist bleibt unsichtbar: nur als Stimme aus dem Off und durch subjektive Kameraeinstellungen erfahrbar. Die Kamera nimmt seinen Blick ein, tastet sich durch das Terrain. Seismografische Linien auf verrußtem Papier zeichnen kleinste Erschütterungen auf – unscheinbare, doch unübersehbare Spuren innerer Prozesse.

Die „Depressionslandschaft“ versteht sich als Anstoß, die Sinnhaftigkeit der Depression zu hinterfragen. Er knüpft an Daniel Hells* Appell an, den Schutz- und Signalcharakter depressiver Symptome anzuerkennen und stellt dem rein objektivierenden Blick einen Raum für gefühlsbezogene Erkenntnis zur Seite.

Das Projekt umfasst den Experimentalfilm Undated Pages (Abschlussfilm MA Film, HfbK Hamburg) plus neue erweiterte Fassung, eine Sammlung filmischer Studien, Zeichnungen, Druckgrafiken (vor allem Ätzradierungen), Miniaturlandschaften, Objekte und Bild-Text-Collagen, Grafiken und Texte.

" HELL, DANIEL (AUTOR, PROF. EM. FÜR KLINISCHE PSYCHIATRIE )

Im Bild der Depressionslandschaft zeigt sich, wie stark diese Wechselwirkung von innen und außen sein kann: Eine Umgebung verliert ihre Farbigkeit, wirkt leer oder bedrückend, weil die innere Befindlichkeit das Erleben dominiert. Eine stille Topografie der Leere: Wege führen ins Nichts, Horizonte schließen sich, Farben sinken in ein Grau.

UNDATED PAGES

(TEASER)

SYNOPSIS

Risse und Spuren im Boden – ein Forscher in einer tristen, lebensfeindlichen Vulkanlandschaft. Seine Logbucheinträge geben Einblick in das sich stetig wiederholende Kreisen um ein nicht lösbares Problem. Das Forschen am Abgrund gestaltet sich als Sinnsuche. Der Krater – zugleich Forschungsgegenstand und symbolischer Abgrund – wird zu einem Sog, hypnotisierend und schwindelerregend. Bedrohlich wachsender schwarzer Raum erfüllt das Bild.

gefördert von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein
DOP / ANIMAION / EDITING
PAMELA ANNECKE
MUSIC / SOUND-DESIGN
STEFAN TROSCHKA
VOICE OVER TEXT BASED ON
ROGER WILLEMSEN (DER KNACKS) SIBYLLE BERG (ENDE GUT/ DER MANN SCHLÄFT), JEAN-PAUL SATRE (DER EKEL), ALBERT CAMUS (DER MYTHOS DES SISYPHOS) STANLEY WILLIAMS (SURVING GALERAS) CAROLINE MUHR (DEPRESSIONEN)